HIER SPRICHT DER GAST – Kolumne in der FAZ am Sonntag von Jürgen Dolasse

Der FAZ-Kolumnist und Gastrokritiker Jürgen Dolasse besuchte unser Haus. Wir freuen uns über sein sehr positives Erlebnis, welches er in der FAZ am Sonntag vom 4. Oktober 2020 wir folgt beschreibt:

Schwein und Hirsch mit Breitenwirkung

„Lindners“ in Bad Aibling erfüllt Erwartungen – und überrascht, und beides aufs köstlichste

Die Restaurantführer verursachen durch ihre weitgehende Fixierung auf die Gourmetküche ein Problem, das man leicht übersehen kann. Köche oder Restaurants mit einer niedrigen Bewertung bekommen schnell den Ruf, tatsächlich wesentlich schlechter als ihre hoch bewerteten Kollegen zu sein. Das mag ja stimmen, solange es sich um typische Gourmetrestaurants handelt. Was aber ist mit denen, die eine andere Küche anbieten, die traditioneller oder regionaler kochen? Wenn sie Gerichte haben, von denen sehr viele Leute sagen: „Es geht viel leicht anders, aber nicht
unbedingt besser“ – sind sie dann wirklich schlechter? Die Orientierung der Führer an der Gourmetküche hat mittlerweile dazu geführt, dass Köche, die eine richtig gute Regional- oder traditionelle Küche beherrschen, vielleicht nicht so berühmt sind, aber zu den gesuchten Spezialisten gehören. Wie sagte es ein Hotelier: „Gourmetköche gibt es heutzutage wie Sand am Meer. Wir suchen Köche, die sehr gut sind, aber gleichzeitig auch noch viele Leute erreichen.“

Der Gast sitzt in „Lindners Schwemme und Stub’n“ im Hotel „Das Lindner“ in Bad Aibling (sozusagen direkt neben dem Drehort der „Rosenheim Cops“) und freut sich über eine Vorspeise namens „Ditsch-Brez’n Knödeltaler, Ragout von heimischen Waldpilzen, Andechser Sauerrahm, Schnittlauch“ (18 Euro). Es gibt ein leicht cremiges Ragout mit einem klaren, aber feinen Geschmack, das deutlich den Unterschied zu Zuchtpilzen zeigt. Mit den angerösteten Knödelscheiben bekommt das Ganze eine süffige Bodenständigkeit. Bei der „Bouillabaisse vom Aiblinger Rauchfisch mit Sauce Rouille, Passe Pierre, Safran“ (13 Euro) klingt der Titel vielleicht im ersten Moment etwas bemüht. Dann passiert aber das Unerwartete: Der örtliche Rauchfisch hat eine so natürliche, präsentspezifische Räuchernote, dass das Ganze nicht ins Mediterran-Französische gerät, sondern hier eine Inspiration in einen erstaunlich guten und eigenständigen Geschmack verwandelt wird.

Diese beiden Vorspeisen profitieren sicherlich von einem Verständnis, das auch in der Gourmetküche eine Rolle spielt. Was aber ist mit dem Tagesgericht, dem „Reschen Krustenbraten aus der Schulter vom Tiroler Landschwein, Bayrisch Kraut, Serviettenknödel, Kümmeljus mit Aiblinger Schwarzbier“ (13,50 Euro)? Lässt sich zu diesem Preis und mit diesen konsequent traditionellen Zutaten eine Optimierung erreichen? Ja, Koch Lars Witzel schafft das. Zum Beispiel mit einem auch pur gut schmeckenden Fleisch, einer Sauce, die nicht pampig gebunden ist und die Aromen gut ergänzt, dem Kraut, das stückig gegart ist und nicht mit Sauerkraut verwechselt werden sollte, und vor allem einem Stück wunderbar krosser Kruste, das eigens behandelt wurde und das nicht so hart ist, dass man es kaum essen kann. Da kommt also eines zum anderen und lässt auch ein solches Tagesgericht glänzen.

Es ist auch in dieser Kolumne üblich, dass fast immer nur die Köche genannt werden. Aber hinter dem „Lindner“ steckt auch noch jemand anderes, den viele Leser aus einer anderen Funktion kennen dürften. Es ist Hoteldirektor Jost Deitmar, der rund zwanzig Jahre lang das Gesicht des berühmten „Hotel Louis C. Jacob“ an der Hamburger Elbchaussee war. Nach dem Ende seiner Arbeit dort machte sich Deitmar auf den Weg in das eben falls berühmte Traditionshotel in Bayern. Sein Plan: eine Küche anzubieten, die die „Gäste glücklich machen soll“ (Deitmar) – mit einem
Mix aus erfüllten Erwartungen und überraschen den Qualitäten. Und genau dafür braucht man die Kombination aus viel Erfahrung, sensiblen Köchen und einem adäquat entwickelten Verständnis.

So präsentierte die Küche bei der „Steirischen Maishähnchenbrust, Rosmarin-Velouté, Tomatensalsa, Linsengemüse“ (22 Euro) ein gutes Produkt mit prächtiger Garung und einer – bis auf die etwas scharfen Tomaten – bestens dienlichen Begleitung. Auch der „Chiemgauer Hirschrücken unter der Walnusskruste, Wildpreiselbeerjus, Sellerie, Süßkartoffel“ (28,50 Euro) gefällt mit mehrheitsfähiger Präzision, die sich nicht in Dekoration verliert, sondern vor allem einen guten Geschmack produziert. Der abschließende „Kaiserschmarrn, Apriksenröster, Moor-Rum-Rosinen, Ringelblumen-Vanilleeis, geröstete Mandelplättchen“ (12,50 Euro) bringt präzise die klassische Basis mit ein paar Extrareizen wie dem sehr schönen Eis zusammen.

Und so versteht der Gast, was das Konzept im „Lindner“ ist. Die Ideen für die Küche der Zukunft werden vielleicht nach wie vor aus der kreativen Spitzenküche stammen, die wichtigsten Veränderungen mit der größten Breitenwirkung aber aus einer Art Neuer Mitte kommen. Wir haben da gute Vorbilder in anderen Ländern, kommen der Sache aber deutlich näher.

„Lindners Schwemme und Stub’n“ im Hotel „Das Lindner“,
Marienplatz 5 D, 83043 Bad Aibling; 08061/9063788
(Tel: 08061/9063788), www.das-lindner.com;

Öffnungszeiten: „Schwemme“ Mo–Sa 12–23 Uhr, „Stub’n“ Do–Sa 18.30–23 Uhr;

Vorspeisen ca. 4,90–16 Euro,
Hauptgerichte ca. 13,50–25 Euro.